Beinahe  normale Taten eines  fast  normalen Bürgers

A k t i o n

K-Narr

Hofnarr des Bundeskanzleramts

Wie das durchaus ernstliche
Bemühen um ein verschollenes Amt
zu einem guten Ende kam

Stand:  Januar 2008

 

Hajo Dreyfuß
( .. Adresse .. ), den 3. Dezember 2005
 
 
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
( .. Adresse .. )
 
 
Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,
hiermit bitte ich Sie, im Bundeskanzleramt das verschollene Amt des Hofnarren wieder einzurichten.
...
 
[ Bewerbung im Ganzen & Interview a.D. 2oo6 ]

Es hatte zunächst wie eine wirklich gute Idee ausgesehen. Also hatte sich der kleine Held dieser Seiten wacker um diesen Posten bemüht. Der wäre zwar noch zu schaffen, aber das sei doch wohl zu schaffen. Dachte Dreyfuß. Denkste. An gleich zwei Amtsinhabende schrieb er, jeweils zwei mal sogar. Und jedes mal wußte er gute, vernünftige Gründe anzubringen. Doch weder Gerhard der Großartige noch Angela die Argumentative befanden des Narren Ansinnen als einer Antwort würdig.

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Nun sind Narren von Natur aus eitel. Und da Dreyfuß besonderen Wert darauf legt, auch ein natürlicher Narr zu sein, ist seine Natur natürlich gekränkt, wenn er einfach übergangen wird. Das wurmt ihn. Zumindest eine Abfuhr hätte ihm doch zuteil werden dürfen. Also, wenn er KanzlerIn wäre – na gut, über das eregierte I ließe sich ja verhandeln – dann hätte er ganz bestimmt... – Ja, was hätte er wohl? Was wäre, wenn...?

So kam er ins Träumen und Sinnen. Was geschähe eigentlich, wenn sein Wunsch erfüllt würde? Dreyfuß wäre amtlich bestallter Bundesnarr des Kanzleramtes. Die Vorstellung gefiel ihm. Natürlich fände sein geschliffener Witz alsbald die gebührende Beachtung. Seine Bonmots wären ebenso gefürchtet wie seine unkalkulierbaren Zwischenrufe. Und ab und an fänden die Perlen seiner Weisheit gar Gehör... Indem er sich ausmalte, wie das wohl so wäre, bemerkte er gar nicht, daß er einschlief. In ihm dachte es einfach weiter, und er träumte gar wunderlich.

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Zunächst waren die Begebenheiten unscheinbar, die Entwicklung schleichend. Der Narr machte sich auf den jeweils disputierten Gebieten kundig, um seine Spitzen möglichst genau zu plazieren, und natürlich gelang ihm das mit spielerischer Leichtigkeit. Alsbald schon galt er als Kapazität, dessen Wort nicht verachtet werden dürfe. Indem aber der Narr ganz behutsam und allmählich zum Weisen verkam, wurde das Hohe Haus ebenso allmählich und behutsam närrisch.

Der alte Scherz des Kappenträgers, das Volk gebe alle vier Jahre seine Stimme ab, um sie nicht versehentlich zu erheben, galt nunmehr als ungeschriebenes Gesetz. Die gewählten Vertreter des Volkes sahen sich nicht mehr als Volksvertreter, sondern als Regierung, deren Aufgabe eben darin bestünde, zu regieren. Dahero Volksentscheide selbstverständlich abzulehnen seien. Staatstragende Dinge wie Verfassung, Währung und Sprache könne und dürfe man keinesfalls dem "Druck der Straße" aussetzen.

Und käme die Breite Masse (über deren Konsistenz wie kognitive Kapazität sich so herrlich intellektuell witzeln läßt) gar auf die Idee, den großen Parteien jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit das Vertrauen zu entziehen, dann sei die Zeit endlich reif für eine Reform der Demokratie. Dann nämlich bildeten die Parteien mit den meisten Stimmverlusten die Regierung. Das Volk werde schon sehen, was es davon habe. So ertstand die Ära der politischen Mathemagie.

Was schon bei der Schul- und Amtssprache funktioniert hatte, gelang denn auch bei der Entflechtung des föderalen Prinzips: Bei ersterm hatte die Verringerung der Regeln einen Zuwachs von fünfzig Prozent gebracht sowie durch real existierende Vereinheitlichung die verschollene Tradition der Hausorthographien wiederbelebt. Bei letzterem mußten nur wenige Stellen entflochten werden, um nahezu doppelt so viele Gelegenheiten für Kompetenzgerangel und gegenseitiges Ausbremsen zu schaffen, die Kosten noch ineffektiver zu verteilen und jede mögliche Lösung dringender nationaler Fragen noch gründlicher zu vereiteln.

politische Mathemagie

Narren denken einfach. Und so folgte des Narren Albtraum auch einem schlichten Schema: politische Mathemagie funtioniert nicht obwohl, sondern weil sie widersinnig ist. So war es in der Logik des Traumes auch nicht verwunderlich, daß sich im zähen Ringen um entweder zwei Prozent höherer Steuer einerseits und keinerlei Erhöhung andererseits alsbald der Kompromiß 2 + 0 = 3 ergab.

Schöner konnte die Doppelreform von Demokratie und Logik nicht vorgestellt werden, und niemand im ganzen Land hätte ein passenderes Beispiel für politische Mathemagie geben können als solch eine Rechnung. Auf dieselbe Art nun verlief alsbald jedwelches Ding, das zu verschildbürgern sich die Regierung berufen wähnte: Wo etwas notwendig, wünschenswert, sinnvoll, praktisch leicht umzusetzen und dabei dennoch bezahlbar wäre, dann waren dies die fünf wirksamsten Argumente gegen jeden Versuch politischer Umsetzung. Wo aber etwas so richtig ins Geld ginge, bürokratische Komplikationen geradezu anzöge, zudem allen praktischen Erfahrungen trotzte, sich dabei wider jede Vernunft stellte, überhaupt nicht gebraucht würde und eigentlich von niemandem wirklich gewollt werden könnte, der noch alle Tassen im Schrank hat – dort schlug das Herz des Homo Parlamentaris höher: So etwas ward Gesetz.

Wenn also des Volkes gewählte Vertreter unter lautem Getöse alle Hebel in Bewegung setzten, um sicherheitshalber alles beim alten zu belassen, damit aus viel Geld noch viel mehr Geld werde, während schmale Geldbeutel endlich richtig schlank werden – ja, dann setzte es mal wieder eine Reform. Dieses schöne Wort bedeutet nicht nur im Lateinischen "umgestalten". Auch hierzulande wurde es dem Sinnspruch "Alter Wein in neuen Schläuchen" oft und gern gerecht. Die praktische Umsetzung klang dann eher wie ein etwas längerer "sprechender Name" eines ausgestorbenen Indianervolkes und ergab sich wie folgt: Ahnungslose Entscheidungsträger schachern (ohne persönliches Risiko) auf Andrer Leut's Kosten um die Absicherung von sachfremden Pfründen, ohne jemanden ernstlich zu befragen, der sich mit dem eigentlichen Thema auskennt.

Wenn also bundesdeutsche Regierungen öffentlich zu reformieren anhuben, begannen sie den schwierigen Spagat zwischen notwendiger Veränderung einerseits und schonendem Vorgehen zum anderen. Der Erfolg dieser Turnübung war dabei traditionell stets derselbe: Die eigentlichen Probleme blieben von jeglicher Lösung verschont, aber immerhin wurde das Reformierte teurer. Dies so konsequent durchzuhalten, daß es sprichwörtlich werden konnte, wurde als Sieg politischen Willens gefeiert.

So war es in der jungen Geschichte der Republik schon mehrfach bei der Rente schiefgegangen, so ging es schon mehrfach bei der Gesundheit nach hinten los, so war es bei der Rechtschreibung mißraten, solchem Streben verdanken wir das komplizierteste Steuerrecht dieses Planeten - dahero wagte nun diese Regierung, die keine Opposition zu fürchten brauchte, kraft des ihr aberkannten Mandats gleich mehrere Große Würfe hintereinander.

Schildaer Kegeln

Die Regeln dieses Schildaer Kegelns lauteten in etwa so: "Den verschuldeten Staatshaushalt repariert man (gleichzeitig unter Amtseid und Verfassungsbruch) mit neuen Rekordschulden. Das strukturelle Problem wird durch öffentliches Ignorieren unmißverständlich zum Verlassen des Etats aufgefordert. Wettbewerb wird durch duch Verringerung der Anzahl beteiligter Wettbewerber gefördert. Wirtschaft und Kaufkraft steigert man durch Steuererhöhungen, die ihrerseits die Lohnnebenkosten durch höhere Beiträge senken. Zudem helfen gegen Arbeitslosigkeit und Lohndumping natürlich längere Arbeitszeiten und verringerter Kündigungsschutz. Ordnung und Sicherheit gedeihen allein durch schärfere Gesetze, also werden Personal und Mittel zur Verhütung und Verfolgung von Rechtsbrüchen gekürzt. Und das Bevölkerungsproblem löst sich irgendwann von selbst, wenn man niemanden mehr ins Land läßt und integrierte Ausländer abschiebt. Währenddessen wird Kinder haben zwar teurer, aber dafür kommen die Kleinen ja auch in den Genuß regelmäßig erweiterter Einsparungen im Bildungsbereich."

Politische Kompetenz bewies sich durch konsequent angewandten Kapierschutz in Sachfragen. So nahm es nicht wunder, daß auch die Gesundheit mal wieder reformiert werden mußte. Dort gab es sogar echte Probleme, denn nicht nur in der Staatskasse, sondern auch in der gesamten Sozialpolitik wurde dringend ein salomonischer Spagat (zwischen sinkenden Mitteln und steigenden Kosten) notwendig. Die Turnübung verlief, wie es zu erwarten war. Nach vollbrachter kleiner Grätsche lobte die Kanzlerin einen "Durchbruch nach zwei Seiten". Und glaubte sogar ernstlich, im Schatten von Fußball und Sommerferien bliebe unbemerkt, daß die Große Koalition den kleinen "ali" in die Heimat seiner Großeltern abgeschoben – und daher anstelle eines Großen Wurfs etwas ganz anderes gekleckert hatte.

Als dann doch ruchbar ward, daß aus einem Haufen Probleme nichts anderes gemacht wurde als ein neues problematisches Häufchen, da ward selbiges mit beleidigter Miene zur Wiederaufbereitung eingesammelt. Und an den geringen neunzig Prozent Schönheitsfehlerchen waren natürlich just jene schuld, mit denen man soeben noch sehr konstruktiv und einmütig zusammengewirkt hatte, um zu einem Durchbruch zu kommen, der die Lösung aller Probleme möglichst ohne jede Änderung der wesentlichen Ursachen grundlegend vermied.

"Schuld" war denn auch stets das große Thema jeden Wahlkampfes, das jeden zarten Anflug versehentlicher Vernunft gründlich verhinderte. Plötzlich war stets und ständig irgendwo Wahlkampf, und für Politiker von Format sowieso.

Und wenn im einfachen Volke unten mal etwas nicht so klappte wie es oben vollmundig versprochen worden war, dann waren auch hier die Schuldigen nach schlichtem Muster wieselflink ausgemacht: Schuld ist stets, wer das Versagen Großer Politik auszubaden hat. Wollten öffentlich Bedienstete zur Abwechslung nur mal wieder ein einziges Jahr lang so viel von ihrem Verdienten kaufen können wie noch im Vorjahr, waren sie schon die eigentlichen Preistreiber. Merkten Mediziner mal geduldig (sprich: über die Dauer einer kompletten Schwangerschaft hinaus) an, daß gesunde Arbeitsverhältnisse gut für die Gesundheit aller Beteiligten seien, so schalt man sie eben als verantwortungslos. Richteten sich Arbeitslose nach den ihnen verordneten Gesetzen, so war von Parasiten die Rede. Und das Vierte Gebot (in Gestalt des demographischen Faktors) ward geheiligt, indem die Diskriminierung wegen Alters – um Gottes Willen – keinesfalls gesetzlich verboten werden sollte.

Und in des Narren Traum erklang eine mächtige Stimme, die da sprach: "Wahrlich, ich sage euch: Das Gesundheitswesen werden letztlich die Kranken allein verschuldet haben."

Indes hatte sich der Innenminister – als Frohnatur hinlänglich bekannt – heimlich des Narren Kappe entliehen. Die Sicherheit des Landes mache es unbedingt erforderlich, allen Bürgern zu mißtrauen (wobei Innenminister natürlich nicht als "Bürger", sondern als "ehrliche Leute" gelten). Folglich müsse auch das gesamte Heer und alle Geheimdienste mit allen Mitteln alle nur denkbaren Daten erhalten, um jederzeit und überall gegen Alle und Jeden präventiv zu ermitteln (dabei nebenher ein paar zutiefst subversive Musikliebhaber dingfest zu machen), und gegen möglicherweise potentielle Gefährder von Freiheit und Demokratie vielleicht auch mal endlich das bewährte Mittel der Einstweiligen Erschießung einzusetzen. Bei einem Anschlag wie am 11.9.2001 könnte das Leben Unschuldiger ganz einfach durch den Abschuß Unschuldiger gerettet werden, und... – In diesem Moment zupfte ihm jemand von hinten die Kappe herunter, und der Minister wurde ungemütlich.

Die mächtige Stimme in des Narren Traum kommentierte lakonisch: "Jetzt dreht er am Rad."

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Während sich die Regierung also im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühte, ein klassisches Trauerspiel aufzuführen, glitt des Narren Albtraum auf eine andere Ebene. Er sah in die Zeit zurück, da weder er noch seine Kappe in der Politik zu Hause gewesen waren, als die Demokratie noch jung gewesen und ihre erste Große Koalition erlebte. Damals wurde von Politikern selbstverständlich erwartet, daß sie von hoher Allgemeinbildung zeugten, ausgezeichnetes Fachwissen mitbrachten, sich sowohl zu benehmen als auch auszudrücken verstanden, und (das gab es einmal wirklich) ihre Fähigkeiten möglichst zum Wohle des sie wählenden Volkes einsetzten. Dann wurde ihnen ein Hauch von Ruhmsucht und Führungswille auch gern vergeben – sofern sie sich bei der üblichen Vetternwirtschaft nicht erwischen ließen.

Nun erlebte das Land seine zweite Große Koalition, und sie war, wie nur ein Narr sie albträumen kann. Von Politikern wurde inzwischen längst erwartet, daß das Verhältnis von Verantwortungs- und Machtbewußtsein dem obigen Beispiel eindeutig widerstrebe. Die Lobby ertönte direkt vom Rednerpult, indem die Kanzlerin sich als Botschafterin der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" erwies und diesen Begriff keck zu ihrem persönlichen Leitmotiv kürte. Da wurde von "Paradigmen", von "Wettbewerb", "Eigenverantwortung", "Entkoppelung" und "schlankem Staat" gesprochen, denn so ganz offen mochte man denn doch nicht sagen, daß das Neue an der angestrebten "Neuen sozialen Marktwirtschaft" hauptsächlich darin bestünde, das Soziale künftig nur noch ganz klein im Namen zu tragen. Gemeint war allerdings, unauffällig sämtliche Arbeitgeber-Pflichten (und auch Beitrags-Anteile) abzuschaffen, die sozialen Sicherungssysteme zu amerikanisieren und bittesehr möglichst schnell alle Staatsaufgaben endlich zu privatisieren. Denn dann erst könnten die komplette Steuer-Einnahmen auf Politiker, ihre Prestige-Projekte und deren großmütige Sponsoren verteilt werden.

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Noch immer fand der böse Traum kein Ende. Als gelte es, dem Narren alle Hoffahrt auszutreiben und zu nachgerade weihnachtlicher Milde zu zwingen, gesellte sich zur Narretei vergangener und gegenwärtiger Politik noch die künftige – gerade so, wie sie dank des Narren Wunsch nach ausgerechnet seiner Stimme im Hohen Hause zwangsläufig werden mußte:

Eine dritte Große Koalition stand an, die Irrungen und Wirrungen der jetzigen noch zu übertrumpfen. Die Einleitung war dieselbe wie die beiden Male zuvor: Die Antrittsrede der neuen Regierung war aus den gemeinsamen Aussagen von Kiesinger und Merkel generiert, nur etwas griffiger und kürzer gehalten. Die Probleme hießen wieder einmal Haushalt, Schulden und Arbeitslosigkeit, die verkündeten Ziele hießen wieder einmal Fortschritt, Innovation und Wachstum, und dann... – dann leitete die Vizekanzlerin unter Hinweis auf ihren Sponsor zur Werbepause über.

In Alten Tagen, da die Republik noch jung gewesen, da hatte zur Politik noch Intelligenz gehört, und Fernsehen war Luxus. Nun war zwar selbst des Narren Traum sich zu fein, diese Zeit verklärten Blickes loben zu wollen. Da gab es manches Trauerspiel zu erschauen. Doch eines zeigte der Traum mit unbarmherziger Schärfe: Den nahezu geräuschlosen Untergang des Niveaus. Dereinst bot die politische Bühne Charakterköpfe mit Stil, Profil und Format, und sie diese zeigten uns (neben einigen echten Inhalten und halbwegs glaubhaften Standpunkten) manch spannendes Kammerspiel, gestandene Scharaden, handfeste Farcen und ergreifende Tragödien. Diese Schilderung läd allmählich zur Einleitung "Es war einmal..." ein, denn des Narren hellsichtiger Blick auf gegenwärtige und künftige Politik fand bestenfalls noch vereinzelte Hanswurstiaden, aber meist Kasperle- und Marionettenspiel. An die Stelle inhaltlicher Aussagen waren kuze, griffige Slogans getreten. Die Webseiten der Regierung boten Weekly Soap im Downstream. In stummem Grauen wurde Dreyfuß Zeuge einer allgemeinen politischen Teletubbysierung.

Damit allerdings hatte die Darbietung auf dem politischen Parkett tatsächlich einen Wechsel der Paradigmen vollzogen, der so allmählich gewesen, daß er erst im Zeitraffer eines furchtbaren Traumes sichtbar wurde. Noch vor einem guten Jahrzehnt war Helmut der Haltbare (der Kanzler beharrlichen Aussitzens drängender Fragen) von Satirikern und Kabarettisten dringend ersucht worden, ihnen bitte nicht gleich sämtliche Arbeit abzunehmen, sondern ihnen zumindest ein paar Bonmots und Pointen übrigzulassen. Nun entzog sich sich der politische Flatscreen jeglicher Form intelligenter Auseinandersetzung. Dem dargebotenen Niveau politischer Künste angemessen zu begegnen, bedurfte es schon lange nicht mehr einer ruhigen Hand. Ein Finger genügte.

"Das erklärt immerhin," hörte Dreyfuß plötzlich seine eigene Stimme sprechen, "weshalb staatliche Zuwendung so emsig daran wirkt, daß Kindergartenplätze immer teurer werden: Wenn die Betreuung eines Kleinkindes dereinst endlich so viel kostet wie das Salaire eines Regierungsmitglieds, dann merkt man vielleicht den Unterschied nicht mehr."

Dann sah er sich selbst: Alt geworden, weise – und traurig. Denn er, der sich spottend einst geühmt, ein jegliches Niveau mühelos unterbieten zu können, hatte vor Langem schon seine Grenze erfahren und sich dem unerbittlichen Ratschluß gebeugt. Denn selbst er mußte einsehen: Diese seine Kunst kann nicht wirken, wo es ihr am Ausgangspunkt ermangelt.

Und eine andere Stimme, die er zuvor schon vernommen hatte, ertönte wie schwerer Glocken Klang: "Wahrlich, ich sage euch: An Narren nicht, an Kappen gebricht's."

Angesichts dieses schlechten Reimes wachte der Narr endlich auf.

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Natürlich erwachte unser kleiner Held nicht einfach so. Nein, er tat es zutiefst erleichtert und geläutert. Die Mahnung war ja auch deutlich genug: Solcherlei wunderliche Dinge würden zweifelsfrei geschehen, wenn es der Narretei jemals gestattet würde, sich in der Politik auszuleben. Zum Glück aber war alles nur ein böser Traum gewesen. Alldiese Auswüchse einer verkehrten Welt ließen sich verhindern, wenn Dreyfuß auf einem kleinen Gebiete nur beizeiten auf ein Quentchen seiner Eitelkeit verzichtete und die Politik brav dort beließe, wo sie anständigerweise hingehört: am Stammtisch.

Nach allem, was er in drei Zeiten gesehen, mag er nun nicht länger Kanzler-Narr werden, und auch nicht Hofnarr der Kanzlerin. Und auch nichts ähnliches. Der Narr, das hat er eingesehen, gehört heutzutage nicht mehr in die Politik. Er war oftmals vonnöten gewesen, als noch die Geburt über Regentschaft entschied. Wo aber Kompetenz die Richtschnur für Autorität ist, dort walten ohnehin Vernunft und Augenmaß.

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Allerdings sinnt Dreyfuß nun darüber, ob es für den edlen Stand der auserkorenen Volksvertreter nicht vielleicht angemessen wäre, sich altehrwürdiger Traditionen zu besinnen und – natürlich nur in bescheidenem Umfang – die gute alte Standestracht wieder einzuführen. Die eine oder andere Idee für solch ein (natürlich nur rein symbolisches) Accessoire hätte er ja schon...

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Hoch über dem Land zieht der Mond seine Bahn.

 E  N  D  E