Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Ein Hirnlüftchen von hajo. Dreyfuß

Feinheiten
 
oder: aus Freude am Worte
 

Wer im Usenet oder in Web-Foren ein wenig mitliest, lernt schnell eine besondere Spezies kennen: Autoren, denen es ein besonderes Vergnügen zu bereiten scheint, möglichst viele Beiträge dergestalt zu verfassen, daß es möglichst viele Mitmenschen spontan auf möglichst viele Palmen treibt.

Im Usenet-Jargon nennt mensch dies höflich "Troll" (in deutschen Newsgroups auch "Elch"), was sich auf französisch als "Provocateur" übersetzen ließe und hierzulande seine Entsprechung etwa in Worten wie "Rüpel" oder "Stänker" findet.

Diese spezielle Art von Autoren nutzt den Umstand, daß PCs mindestens ebenso geduldig sind wie Papier, und selbst das Eintippen perfidester Ungeheuerlichkeiten nicht in den umgehenden Empfang wohlverdienter Backpfeifen mündet. So, wie dereinst bei Wilhelm Busch die Lausbuben Max und Moritz den armen Schneider Wilhelm Böck aus der sicheren Deckung heraus neckten, so finden sich heute CyberDogZ und ArnoNymZ zuhauf, die sich k3wL (sprich: cool, meine: bemerkenswert) dünken, wenn ihr literarisches Elaborat mehr Beachtung findet als das eigentlich zur Debatte stehende Thema.

Diesem niederen Bedürfnis ward am 9. April 2008 an höchster Stelle besondere Ehrung zuteil. Im Deutschen Bundestag wurde just dieser Menschenschlag tatsächlich benannt. Zwar war es nur bei einer kleinen Anhörung zur Frage, ob "Online-Sucht" ein relevantes Thema für die hoheitsvolle Aufmerksamkeit der erlauchten Volksvertreter sei. Zwar bestand das hauptsächliche Bestreben des Ausschusses darin, den versammelten Gesetzgeber in seinem aktuellen Bestreben zu bremsen, jegliche Sucht in diesem Lande durch striktes Verbot haft- und abschiebefähig machen zu wollen. Zwar fand die erwähnte Erwähnung somit nur beiläufig und am Rande statt. Zwar hatte das Hohe Haus an jenem Tage noch einige andere Themen. Aber immerhin: erwähnt ist erwähnt.

Und weil der Dozent so erlesen und die Formulierung so ausgesucht belesen gewesen, ist sich der hiesige Autor nicht zu schade, auch mal als klassischer Blogger tätig zu werden und das entsprechende Fragment der Fundstelle hier gesondert zu zitieren, aufdaß die wohlgesetzten (und politsch kokett-korrekten) Worte ihre verdiente Geltung erfahren.:

Die Suggestion einer "pseudosozialen Interaktion" und die scheinbar keine Verantwortung begründende Anonymität der Online-Handlungen seien es vor allem, die "Herausforderungen für Persönlichkeiten mit Schwächen im sozialen Bereich" darstellen würden. Dazu käme das Heranzüchten von "Entgleisungen" durch eine "Medienunkultur" schon im prägenden Kindesalter.

Das bleibt uns hier nun so lange erhalten, bis sich für das "Online-Arschloch" eine noch galantere Umschreibung findet.